Impuls zum 3. Juli 2022
Von Gerold König (Langerwehe), pax christi-Bundesvorsitzender
Paradoxe Interventionen
Beginnen wir unser gemeinsames Gebet
Im Namen des Vaters
Des Sohnes und
Des hl. Geistes
Lied
Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unserer Zeit
Brich in Deiner Kirche an, dass die Welt es sehen kann –
Erbarm dich, Herr
Weck die tote Christenheit, aus dem Schlaf der Sicherheit,
Dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt -
Erbarm Dich, Herr
Schaue die Zertrennung an, der sonst niemand wehren kann;
sammle, großer Menschenhirt, alles, was sich hat verirrt –
Erbarm Dich, Herr
Friedensliebe versus Feindesliebe
Seit mittlerweile über 160 Tagen herrscht Krieg in Europa.
Seit mehr als 160 Tagen sterben in der Ukraine Menschen einen gewaltsamen Tod.
Seit mehr als 160 Tagen wird das Land sinnloser Zerstörung ausgesetzt.
Seit mehr als 160 Tage währt nun schon unsere Hilflosigkeit und unsere Sprachlosigkeit.
Doch nicht erst jetzt stellt sich die Frage:
Steht das Realitätsprinzip unserer Welt nicht ganz offensichtlich und diametral dem Prinzip der Friedensliebe – der Feindesliebe gegenüber?
Wo stehen wir in dieser Frage?
Die Friedensbewegung steht vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahre.
Krieg darf doch – um Gottes Willen – nicht sein?
Ist all das, was wir immer wieder heraufbeschworen haben, nämlich, dass ein Leben ohne Waffen in friedlicher Koexistenz grundsätzlich möglich ist, plötzlich irrelevant?
Stehen wir, stehe ich auf verlorenem Posten?
„Er ist gerecht, ein Helfer wert / Sanftmütigkeit ist sein Gefährt“, das singen wir, das hoffen und das glauben wir, nicht nur im Advent.
Doch wer kann sanftmütig sein, sanftmütig bleiben, mitten im Krieg?
Sanftmut heißt auch, gewaltfrei handeln – Ist diese Herausforderung für uns mittlerweile zu groß, zu schwer?
Wo ist denn Gott, fragen wir – Seine Antwort wird sein: Siehst Du mich nicht, auf Deines Nachbarn Angesicht?
Jeder Schuss zerstört ein Leben, zerstört Träume und Visionen - aber was können wir / Ich dem entgegensetzen?
Hören wir doch mal, was Jesus uns mit auf den Weg gibt
Aus dem hl. Evangelium nach Matthäus (Mt 5,38–42)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
Kurze Ausdeutung
Mit diesen Handlungsschritten, die Jesus da benennt, mutet er uns ganz schön was zu. Der Text ist eine Zumutung für jeden von uns, stellt er doch gleich mal die größtmögliche Spannung zu den Stimmen und Stimmungen unserer Gegenwart her. Gleich vorneweg: Für mich ist Matthäus 5,38-42 keine Handlungsanleitung zum Umgang mit Diktatoren. Aber in der Aufforderung Jesu zur „paradoxen Intervention“, zu einer verblüffenden Haltung tiefster Friedfertigkeit, die in der Schwäche Stärke zeigt, liegt ein auch heute hoch aktuelles, hoch bedeutsames Potential.
Jesus setzt einen anderen, einen überraschenden, ja verstörenden Akzent. Er ruft, wie oben angedeutet, die Menschen zu unvorhersehbaren, überraschenden Verhaltensweisen auf. – Nach diesem Prinzip handelten zum Beispiel die mutigen Frauen von Belarus, die Blumen in den Händen trugen und sie den Soldaten schenkten, die ihre Gewehrläufe auf sie gerichtet hielten. Diese Frauen machten – paradox – die Stärke der Schwäche sichtbar.
„Er ist gerecht, ein Helfer wert, Sanftmütigkeit ist sein Gefährt“: Mit Gottes Advent, mit Gottes Gegenwart wird diese Stärke der Schwäche möglich.
Unser Glaube, unsere adventliche Religion ist herausfordernd, gerade weil sie zuinnerst unideologisch ist.
Keine Parolen, keine einfachen Antworten.
Kreativität, Flexibilität, Nachdenklichkeit zulassen, Herzensverhärtungen und auch Hirnverhärtungen entgegenwirken. Das ist gemeint. Das verrückt die Gewichtung. Das ist nicht leicht.
Aus diesem Glauben heraus, ist es unsere Aufgabe als Christinnen und Christen Wege aus der Gewaltspirale heraus zu suchen und zu gehen. Paradoxe Interventionen zu suchen.
Gebet und Bitte
Herr mache mich zum Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
Dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
Dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr lass mich trachten,
nicht dass ich getröstet werde, sondern, dass ich tröste.
Nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
Wer verzeiht, dem wird verziehen werden;
Und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben
Nicht nur in der Ukraine wird gekämpft – an vielen Orten der Welt fügen sich Menschen Leid zu
Oft ist gar nicht mehr klar, worum es eigentlich geht.
Gewalt herrscht
Erinnern wir all der Orte, der Länder, der Menschen, die mitten in der Gewaltspirale stecken.
Tun wir dies, indem wir unseren Auftrag als pax christi noch einmal hören:
Aus der Präambel unserer Satzung:
„Wir ächten jede Form von Krieg, kritisieren die Militarisierung der internationalen Beziehungen, die Rüstungswirtschaft und die Zerstörung der Lebensgrundlagen von immer mehr Menschen. Wir widersetzen uns dem Missbrauch der Religion zur Rechtfertigung von Gewalt, Unterdrückung und Diskriminierung von Menschen.
Wir vertrauen auf die friedensfördernde Kraft von Religion und suchen ihre Stärkung im interreligiösen Dialog. pax christi ist bereit zur verantwortlichen Zusammenarbeit mit allen Menschen – gleich welcher Religion oder Weltanschauung – die sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.“
Dafür erbitten wir Gottes Segen